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Über das (Un-)Sicherheitsgefühl junger Wiesbadenerinnen und Wiesbadener

Sie sind da, die heiß erwarteten Ergebnisse der Befragung „Das Sicherheitsgefühl junger Wiesbadenerinnen und Wiesbadener“. Warum und vor allem wie brisant dieses Thema ist, dazu genügt schon der regelmäßige Blick in die regionale Presse. Deliktpaletten, so schön bunt wie die Bevölkerung selbst. Business as usual in Wiesbaden? Meldungen über Massenschlägereien, Messerattacken und sexuelle Belästigungen sind längst keine Seltenheit mehr. Das ist Fakt, nicht nur Gefühl. Die interessante Frage: Spiegelt sich dieser Zustand auch in den erhobenen Daten? Ja, wie die jungen Bürger Wiesbadens eindeutig belegen!

Alles eine Frage der Perspektive

Eine wesentliche Erkenntnis vorab: Es ist alles gar nicht so schlimm! Oder was dachten Sie? Ganze zwei Drittel der jungen Stadtbewohner fühlen sich in der Stadt sicher. Manch einer würde diesen Wert wohl eher als erschreckend niedrig beklagen. Unter den wahrgenommenen Unsicherheitsfaktoren in Wiesbaden findet sich die Gewalt mit „nur“ 34% lediglich im Mittelfeld, ebenso wie der Drogenhandel- und Konsum mit 32%. (In der Befragung treffend bezeichnet als „Verfallserscheinungen des öffentlichen Raumes“!) Obdachlose/Bettelnde (61%), herumhängende“ Jugendliche und Erwachsene (58%),  sowie Pöbeleien, Beleidigungen und Belästigungen (56%) bilden die Top 3. Interessant sind besonders die offenen Antworten hierzu: „Es passieren zu viele kriminelle Aktivitäten mit Drogen, Steuerhinterziehung, Geldwäsche, Scheinehen, Scheingewerbe und das meist durch gewaltbereite Bulgaren(Romas) oder Kurden“ oder „Die Innenstadt verliert ihren Glanz. Zu viele ausländische Bürger in der Innenstadt, die einfach nicht zum schönen Stadtbild passen.“ Wie können die jungen Menschen bloß so ehrlich sein?!

Ja, es gibt noch weitere Antworten, weitere Probleme, weitere Schieflagen. Der Unterschied: Jenes Problem, welches sich hier abzeichnet, wird oftmals pauschal als „Hass und Hetze“, „Rassismus“ oder schlichtweg als nicht existent abgetan oder relativiert.

Da sind sie wieder, die ominösen „Gruppen“

Wie oft haben wir schon gehört, dass es dies und jenes „doch schon immer gab“. Gegen diese Pauschalierung spricht die eklatante Negativentwicklung, die sich aus der Frage zum Sicherheitsempfinden heute im Vergleich zu vor 5 Jahren  abzeichnet: die Hälfte der Befragten gibt an, sich heute weniger sicher als fünf Jahre zuvor zu fühlen! Na, was war nochmal das Topthema des Jahres 2015 bis zur Entdeckung der nahenden Apokalypse durch den Klimawandel? Für ganze dreiviertel der Befragten existieren Orte, an denen man sich unbehaglich oder unsicher fühlt. Und auch hier ein Erkenntnisgewinn aus den Antworten: „Ausländer/Flüchtlinge/Asylbewerber“ werden deutlich als „bedrohliche Gruppe“ deklariert. Tatsächlich werden die Probleme, die aus der Befragung identifiziert wurden, in alle Richtungen klar und deutlich benannt (und sogar veröffentlicht).

Ausländer und Flüchtlinge als wesentlicher Unsicherheitsfaktor? Rassist!

Etwas abwegiger wirken hingegen die Interpretationen einiger Antworten, wie beispielsweise diese: „Mindestens ebenso bedenklich wie das offensichtlich nicht wirklich gut funktionierende Zusammenleben oder zumindest Koexistieren im öffentlichen Raum, ist die Tatsache, dass ein deutlicher Teil der Befragten das eigene Unsicherheitsempfinden nur in Verbindung mit rassistischen Einschätzungen und Ansichten äußert. Rund 35 % der gemachten Äußerungen zu dieser Frage sind aus Sicht der Verfasser in Teilen oder in Gänze rassistisch gefärbt […].“

Nun wurden Schimpfwörter wie „Kanake“ oder Beschreibungen der auffälligen Personen/Gruppen wie „Flüchtlinge haben Wiesbaden unsicher gemacht […]“ benutzt, aber kann man daraus bereits „rassistische Färbung“ ableiten? Nein, insbesondere nicht innerhalb der befragten Altersgruppe! Man muss sich bloß eine Weile durch angesagten YouTube Content klicken und man wird schnell merken, dass solche Begriffe leider zum alltäglichen Sprachgebrauch vieler junger Menschen gehören. (Das Pendant: Der stereotype „Alman“. Natürlich nicht rassistisch!) Führt man sich obendrein die Tatsache vor Augen, dass ein Drittel der Befragten selbst einen Migrationshintergrund hat, erscheint die Interpretation umso fragwürdiger. Es wird interessant werden zu beobachten, welche Handlungsempfehlungen von politischer Seite aus den Ergebnissen folgen. Eine kleine Mutmaßung sei erlaubt: Wenn man der Interpretation folgt, dass 35% der gemachten Äußerungen zu den Ursachen des Unsicherheitsempfindens rassistisch gefärbt sind, dann kann folgerichtig nur der Kampf gegen Rechts intensiviert werden. Wenn für irgendwas die Gelder locker sitzen, dann doch dafür! Glücklicherweise konnte das Epizentrum der Rassismuswelle bereits ausgemacht werden: Die Pfitznerstraße! Zum Glück hat noch niemand den kausalen Zusammenhang zwischen blauen Straßenschildern und politischer Eins… – genug jetzt!

Hier finden Sie die vollständige Befragung: https://www.wiesbaden.de/medien-zentral/dok/leben/stadtportrait/2020_01_Stadtanalyse_Sicherheit_in_Wiesbaden.pdf