Wie jüngst dem Wiesbadener Kurier zu entnehmen, plant der Wiesbadener Schlachthof offenbar die Ausrichtung eines neuen Sommerfestivals im kommenden Jahr. Dieses soll in die Fußstapfen des früheren „Folklore“-Festivals treten und das viel beklagte subkulturelle Vakuum wieder auffüllen, das seit dem Ende des „Folklore“ in Wiesbaden herrscht.
Was das Ganze interessant, um nicht zu sagen brisant, macht: die von Seiten der Stadt benötigten Fördermittel für das Festival sollen bereits heute ausgezahlt werden, damit Wiesbadener Künstler, die im Hier und Jetzt unter Lockdown-bedingten Einnahmeverlusten leiden, auch in der Zeit der Krise weiter über die Runden kommen. Im Raum stehen 200.000 Euro aus dem Förder-Etat 2019 und zusätzliche 200.0000 EUR aus dem allgemeinen Kultur-Etat für 2020, insgesamt also 400.000 EUR.
An wen das Team vom Schlachthof denkt, wenn es von „Künstlern“ spricht? Im Konzeptpapier ist von „freiberuflichen Künstler*innen, Initiativen, Tänzer*innen, Filmemacher*innen, Fotograf*innen, Musiker*innen, Literat*innen, DJ`s, Vortragenden, Sprayer*innen“ die Rede. Ein tatsächliches Konzept im Sinne einer Beschreibung dessen, welche konkreten Leistungen die Künstler auf dem Festival in 2021 erbringen sollen, fehlt jedoch bisher. Und genau hier liegt das Problem.
SCHLACHTHOF MÖCHTE BLANKOSCHECK
Im Grunde will der Schlachthof die „Boheme“ mit einem Blanko-Scheck aus Steuergeldern gefördert wissen, die sich in Wiesbaden wie in anderen Großstädten rund um sogenannte alternative Kulturzentren angesiedelt hat. Es sind junge Leute, deren größter Traum es ist, ihre kreativen Hobbys zum Beruf zu machen. Sie nennen sich „Künstler“, obwohl sie allzu häufig noch kein einziges Kunstwerk geschaffen haben, an dem eine nennenswerte Zahl von Menschen ein Interesse gezeigt hätte. Solcherlei „spießbürgerliche Kritik“ prallt jedoch in aller Regel an ihnen ab, denn sie sind davon überzeugt, dass es a.) keine objektiven Kriterien dafür gäbe, was Kunst ist und was nicht, dass b.) Kunst, was auch immer man dazu erklärt, einen Wert an sich habe, weswegen sich c.) die Frage, ob die eine Kunst förderfähig sei und eine andere hingegen nicht, von vornherein verbiete. Seine Arbeit zu Markte zu tragen – wie es viele Künstler tun und dabei auch Erfolg haben – das kommt für sie nicht in Frage. Die Allgemeinheit hat ihre „Kunst“ zu finanzieren. Punkt!
Mit dieser Argumentationsstruktur ist es der alternativen Szene gelungen, die Gesellschaft bis weit in die bürgerlichen Schichten hinein von der eigenen Unverzichtbarkeit zu überzeugen. Mancher wird es auch als moralische Erpressung empfinden. Wir sind der Ansicht, dass das so nicht weiter gehen kann.
WO IST DER GESELLSCHAFTTLICHE MEHRWERT?
Bietet dieses alternative Angebot des Schlachthofes der Gesellschaft denn wirklich einen Mehrwert? Nur dann wäre es zu rechtfertigen, dieses Angebot mit öffentlichen Geldern zu subventionieren. Angesichts der Tatsache, dass der Schlachthof bei seinem zukünftigen Festival komplett auf Eintrittsgelder verzichten möchte, sieht es für uns nicht danach aus. Wenn aber niemand bereit sein sollte, für die Teilnahme an dem Festival Geld auszugeben, und seien es beispielsweise nur 25 EUR, dann ist davon auszugehen, dass es auf Seiten der Bevölkerung kein nennenswertes Interesse an einem solchen Festival gibt.
Mit seinem normalen Konzertangebot schafft es der Schlachthof regelmäßig, viele hundert Gäste dazu zu bringen, etwas von ihrem Geld in Tickets zu investieren. Wenn dem Schlachthof-Verein das nicht auch mit einem Kulturfestival gelingen sollte, dann sollte es auch keine Subventionierung eines solchen Festivals mit Steuergeldern geben.